Donnerstag, 27. September 2007

I would prefer not to

Man muss schon viel Sand durch ein Sieb schütteln, um ein Goldstück zu finden.

Und mit ein bisschen Glück glitzert es dann plötzlich hell zwischen all den Steinchen.

Ich habe ein Goldstück gefunden, und freue mich, dass ich es - mit der freundlichen Erlaubnis des Autors Harald Müller - hier präsentieren darf.

Harald Müller schreibt seit fast 4 Jahren seinen eigenen Blog - etc.pp - in dem es noch viel mehr zu entdecken gibt.


I would prefer not to

Ich werde mir niemals eine Kamera kaufen.

Aber das ist nicht schlimm, ich tue einfach so, als wäre es anders: Ich lese die in den Fachzeitschriften summierten Pressmitteilungen und besuche regelmäßig den Mediamarkt.

Die Kameras, die mich wirklich interessieren, stehen in gläsernen Schränken, hinter dem Tresen mit den Mitarbeitern. Ich probiere nur selten eine von jenen. Die lange Reihe der kleinen Geräte schaue ich mir häufiger an, diese Kameras probiere ich häufiger aus. Seltsame Geräte sind darunter.

Heute hatte ich eine in der Hand, die mich wegen der ungewöhnlich kurzen Einstiegsbrennweite interessierte, aber ich habe nicht viel davon gemerkt, weil ich so erschrocken über die Geräusche war, die sie beim Zoomen machte. Dann ging sie aus Akkugründen aus und ich strich sie von der Liste meiner Favoriten.

Eine andere Kamera hatte einen Autofokus, der konnte Objekte verfolgen. Man visiert ein Ziel an, drückt den Auslöser leicht und sobald sich das Zielobjekt bewegt, verfolgt ein grünes Rechteck den markierten Bereich. Einen Kopf zum Beispiel. Ich habe mir den Akku nachladen lassen und ein paar Köpfe verfolgt.

Immer wenn ein Kopf hinter einer Säule verschwand, blieb das grüne Rechteck an der Säule kleben. Ungefähr so wie der Blick Yul Brunners, als er damals in die Fackel schaute und diese dann fixierte, weil seine Wärmebildkamera den komischen Schnauzbart hinter all der Hitze der Fackel nicht mehr erkennen konnte.

Ein oder zwei Fotos finden sich immer auf den Kameras, diese kleinen Geräte haben meist eingebaute Speicher. Man sieht die Anderen, wie sie sich über die Reihen der Kameras beugen, verbunden durch die Alarmkabel. Oder Füße. Oder Gesichter, die komisch gucken. Oder Säulen. Ich schaue mir gerne die Bilder der Anderen an.

Eigentlich sind meine Finger zu groß, die Fotoapparate schrumpfen mir unter den Händen weg. Ich komme mir ungelenk vor, wenn ich damit hantiere. Manchmal, wenn die Knöpfe zu klein sind, werden meine Finger nervös.

Ich nicht, mir ist das egal, aber meinen Fingern nicht. Die werden auch nervös, wenn ich irgendwelche kleinen Schrauben eindrehen muss an den Spielzeugautos, um das Batteriefach zu sichern. Wenn meine Finger zu nervös werden, stelle ich die Kamera zurück, dann ist sie eben zu klein.

Weiter links stehen die größeren Kameras.
Heute gefiel mir eine besonders gut. Sie war nicht so klein wie die kleinen und nicht so groß wie die großen, sie war sozusagen mittelgroß. Aber ganz schön schwer. Sie hatte Drehknöpfe, die ich gut greifen konnte, das hat mir direkt ein schönes Gefühl gegeben. Ein wenig teuer zwar, aber ein Ausstellungsstück und deshalb preiswerter geworden.

Ich fragte den Mann hinter dem Tresen, was sie normalerweise gekostet hätte. Die Daten hatte ich nicht im Kopf, weil ich niemals auf die Idee gekommen war, mir eine solche Kamera zu kaufen; entweder klein und billig oder groß und richtig, aber eine solch mittelgroße Kamera wäre nichts Halbes und nichts Ganzes und so hatte ich mir eben niemals die technischen Daten gemerkt, oder die Preise.

Fünfzig Euro teurer sei sie gewesen, sagte der Mann, und ein ganz frisches Ausstellungsstück, gerade am Morgen erst dort hingestellt und heruntergesetzt. Ich stutzte, weil ich sie dort auch gestern schon gesehen hatte. Gut, gestern hatte ich sie mir nicht angeschaut, weil sie ja nicht in Frage gekommen wäre, aber: Ich hatte sie gesehen. Und am Freitag auch. Der Mann bestand darauf, dass die Kamera erst heute dort platziert und heruntergesetzt worden war.

Sein Kollege widersprach nicht, und mir wurde ein wenig unheimlich. Man kann das nie ganz ausschließen, das mit den Murmeltiertagen. Eine solche Murmeltierkamera würde ich mir niemals kaufen.

Aber ich kaufe mir ja sowieso niemals eine Kamera, da kommt es auf die eine mehr oder weniger nicht an.

Vorhin habe ich mir dann eine Kamera online bestellt, den Nachfolger von der unheimlichen Kamera. Sollte eigentlich erst in ein paar Wochen kommen, hatte der Mann noch gesagt, aber nun eben doch schon morgen. Ist ja eigentlich auch schon wieder unheimlich. Aber das finde ich jetzt nicht mehr so überraschend. Ist ja der Nachfolger.

© Harald Müller / etc.pp

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